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Kaiserschnitt: Stuhltransplantation baut Darmflora gesünder auf

Helsinki – Die einmalige Gabe einer Stuhlprobe der Mutter mit der ersten Milchmahlzeit hat in einer Studie in Cell (2020; DOI: 10.1016/j.cell.2020.08.047) den Aufbau einer physio­lgischen Darmflora gefördert. Trotz einer sorgfältigen Untersuchung der Stuhl­proben kam es bei 1 der 7 Säuglinge zu einem Anstieg des C-reaktiven Proteins, der allerdings folgenlos blieb.

Kinder werden keimfrei geboren. Bereits in den ersten Wochen kommt es jedoch zu einer Besiedlung der Körperoberflächen und des Darms mit Bakterien und anderen Mikro­organismen. Die „Starterkulturen“ kommen nach einer natürlichen Geburt aus dem Geburtskanal. Wegen der Nähe zum Anus sind häufig auch Darmbakterien darunter.

Bei einer Geburt per Kaiserschnitt setzt die natürliche Besiedlung des Darms verzögert ein. Die Vielfalt ist vermindert. Die Verabreichung von Bakterien von der Haut oder aus der Vaginalflüssigkeit konnte die Störung nur teilweise verhindern.

Ein Team um Willem de Vos von der Universität Helsinki griff deshalb zu einer drastische­ren Maßnahme. Die Pädiater luden 17 Schwangere, bei denen ein Kaiserschnitt geplant war, 3 Wochen vor der Entbindung zur Abgabe einer Stuhlprobe ein. Diese sollte einge­froren und am Morgen der Geburt aufgetaut werden, um sie den Neugeborenen innerhalb von 2 Stunden mit der ersten Milchmahlzeit zu verabreichen.

Die frühzeitige Abgabe der Stuhlprobe war notwendig, weil die Forscher zunächst untersuchen wollten, ob sie die für eine Stuhltransplantation empfohlenen Bakterien enthielt. Die Stuhlproben wurden außerdem auf Krankheitskeime untersucht.

Am Ende konnte die geplante Behandlung nur bei 7 der 17 Schwangeren durchgeführt werden: Bei 4 Müttern wurden Gruppe B-Streptokokken gefunden, 1 hatte einen (nicht eindeutig) positiven Test auf das Hepatitis E-Antigen, 1 litt an einer Herpes-Infektion. 2 Säuglinge wurden außerplanmäßig entbunden. Bei 1 Säugling wurde wegen einer temporären Tachypnoe auf die Stuhltransplantation verzichtet, bei 1 Schwangeren war die Entnahme der Stuhlprobe nicht erfolgt.

Dass die mikrobiologische Kontrolle der Stuhlprobe wichtig ist, zeigte sich nach der Gabe von 3,5 mg oder 7,0 mg einer verdünnten Stuhlprobe mit der ersten Muttermilch. Bei einem der 7 Neugeborenen kam es zu einem deutlichen Anstieg des C-reaktiven Proteins auf 67 mg/l. Das Neugeborene blieb allerdings symptomfrei und das C-reaktive Protein war bei der ersten Kontrolle am nächsten Tag wieder auf 39 mg/dl gefallen. Dennoch bleibt der fäkale Mikrobiomtransfer bei Säuglingen, die noch nicht mit Keimen besiedelt werden, riskant, und de Vos rät keineswegs dazu, die Behandlung schon jetzt in der Klinik durchzuführen.

Die Stuhltransplantation erreichte allerdings ihr Ziel. Die mit der ersten Milchmahlzeit übertragenen Darmbakterien etablierten in den 3 Wochen eine Darmflora, die weitge­hend mit der bei der Mutter übereinstimmte. Pathogene Bakterien wie Enterococcus faecium und Salmonella enterica konnten sich bei den behandelten Säuglingen nicht festsetzen. Die Entwicklung des Mikrobioms war laut de Vos günstiger als nach der Übertragung von vaginalen Bakterien, deren Ergebnisse aus früheren Studien die Forscher auswerteten.

Ob sich die Behandlung günstig auf die spätere Gesundheit auswirkt, lässt sich ange­sichts der kleinen Fallzahl, einer fehlenden randomisierten Vergleichsgruppe und der kurzen Nachbeobachtungszeit nicht beurteilen.

Immunologen betrachten die Darmflora als eine Schule für das Immunsystem. Die Kenntnis der pathogenen und apathogenen Organismen könnte im späteren Leben die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen verhindern.

Eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie aus Dänemark kam in Clinical Epidemiology (2020; DOI: 10.2147/CLEP.S229056) jüngst zu dem Ergebnis, dass Menschen, die per Kaiserschnitt geboren wurden, im späteren Leben ein erhöhtes Risiko auf Diabetes, Arthritis, Zöliakie und entzündliche Darm­er­krank­ungen haben. 

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